Folge 5: BALLFREIER SPORTUNTERRICHT JETZT!

Schön rund ist er und meistens hüpft er so lustig. Er kommt als nettes Spielzeug daher, mit Pünktchen oder Disney-Figuren drauf, für Zimmer, Straße, Schwimmbad. Und es gibt ihn als Sportgerät, aus Leder oder Kunststoff, als luftleichten Miniballon und fingerbrechende Riesenkugel und mit Autogrammen drauf, als legendäre Devotionalie:

Der Ball!

Was für eine Marke, welch ein Riesenspaß dieser Ball… Könnt ihr euch einen Sportunterricht ohne diese lustige, luftige Kugel überhaupt vorstellen? Äh, ich schon und das diskutiere ich heute mit viel Vorfreude auf Shitstorm, denn ich entweihe ein Sakrileg.

BINDEL GESTEHT: ICH LIEBE BÄLLE!

Der Ball spielt als Symbol für die unendliche Willkür und willkürliche Unendlichkeit des Universums und des Irdischen, des Lebens und Sterbens seit langer Zeit eine Rolle. Wie Götter mit den Planeten spielen, so spielen Menschen (also im historischen Rückblick: Männer) mit Bällen. Ich liebe Bälle. War immer so. Es sind magische Objekte. Bälle haben weder Anfang noch Ende, kennen nicht Oben und nicht Unten, haben keine einzige Seite, weder links, noch rechts. Ein Ball macht mich froh; da fühl‘ ich mich wirkmächtig. Ball heißt Potenzial, denn damit ist alles möglich. Wirf ihn weg, fang ihn auf, treib ihn an, gib ihm Schwung, gib ihn nicht her, renn damit bis zum Ende. Welches Sportgerät bringt eine solche Philosophie mit sich? Keine Hantel, kein Reck ist… Leben! Als Grundschüler hatte ich im Schulranzen immer einen Tennisball, später einen dieser Minifußbälle. In der Unterstufe war ich süchtig nach „Ball gegen die Wand“. Wir haben uns in einer Reihe aufgestellt, jeder hatte drei Leben (Leben! Da ist es wieder.). Man warf den Tennisball gegen die Rückwand der Turnhalle, dann durfte er dreimal aufspringen, bis ihn der nächste fangen musste – eine Mischung aus Squash, Schlagballwurf und Rundlauf. Wir hatten eine Rangliste in der Schülerzeitung. Wenn mich heute jemand mit dem Betreff „Ball gegen die Wand“ anschreiben und zu einem Turnier einladen würde, ich wäre dabei. Bälle im Urlaub, Bälle im Garten, Bälle morgens, mittags und abends. Ach ja und Bälle im Sportunterricht. Das war immer gut, auch wenn es mich gestört hat, dass ich in jeder Ballsportart dann doch nur mäßig war, denn es gab da immer auch andere Ballverrückte und die haben sich im Gegensatz zu mir spezialisiert auf Handball, Volleyball oder meist Fußball, und die wurden immer besser. „Ball gegen die Wand“ hat da jedenfalls bald keinen mehr interessiert. Trotzdem – war immer cool, wenn die Bälle reingerollt wurden, in ihrem kleinen Käfig da, wie Hundewelpen. Und jeder durfte sich da prüfend einen aussuchen.

WIE? NICHT ALLE LIEBEN BÄLLE?

Meine Liebe zum Ball hat nicht zum Spitzensport geführt und ich konnte sie auch nicht vererben. Ganz im Gegenteil: Mit meiner Tochter durfte ich miterleben, dass der Ball nicht in jedem Menschen das Feuer des Lebens entfacht. Er gehört ja zu den ersten Spielzeugen, die man dem Neugeborenen kauft. Es dauert nicht lange, dann sabbern die Babys an Stoffkugeln. Nimmt da schon das unzertrennliche Band zwischen Mensch und Ball seinen Anfang? Nicht unbedingt, denn meine Tochter zum Beispiel hat das schon sehr bald nicht mehr interessiert. Werfen und fangen, rollen und schießen – sie spürt jetzt schon seit 14 Jahren nichts, wenn sie das tut – es ist überraschender Weise stets sinnlos. Was stimmt hier nicht? Man will mit ihr zum Arzt gehen. Sie scheint allerdings nicht die einzige mit Balldepression zu sein, denn sie hat viele gute Freundinnen und Freunde, mit denen sie zwar coole Sachen macht; aber die bewegen überhaupt keine Objekte – so weit hab’ ich das schon analysiert. Die werfen nichts weg, schießen nichts und fangen nichts. Wirft man ihnen was zu, kommt höchstens der Reflex sich wegzuducken, gefolgt von genervten Blicken und bösen Kommentaren. Auch mit ’ner Frisbee haben die kaum Spaß. Und trotzdem leben die ganz gut,sind coole Teenager. Aus denen wird was. Die bewegen sich sogar gerne, auf ihren Füßen, mit Rädern, auf Rollen, im Schwimmbad, im Park, klettern, hüpfen, laufen, springen. Auf dem Spielplatz hatte meine Tochter einen enormen Kompetenzvorsprung, ganz anders als in der Sporthalle – dem Habitat des Balls. Viele Kinder bewegen also sich selbst total gerne, nicht aber Objekte. Wäre ja alles kein Problem, wenn es da nicht den Sportunterricht gäbe, denn dort findet seit der ersten Klasse mindestens 50 Prozent mit dem Ball statt. Und je älter man wird, umso größer wird die Distanz zu den ganzen Ballthemen. Denn wer da keine Lust drauf hat, der kann das auch nicht so gut und das macht dann noch weniger Bock. Und die Ballverliebten, die gibt es auch heute noch und die werden immer versierter im Umgang mit diesem polarisierenden Objekt, was denen dann noch mehr Freude bereitet. Das wird also total komisch, wenn man dann mal in der 8. Klasse ist und seine gesamte Ballkompetenz nur aus den gurkigen Sportstunden hat und nicht aus 5000 Stunden Freizeit- und Vereinssport und 5000 Stunden „Ball gegen die Wand”

Sie scheint allerdings nicht die einzige mit Balldepression zu sein, …

Bindel, 2023

UNSER SPORT. DEUTSCHLAND EIN BÄLLELAND?

Also, jetzt muss man sich mal das Cluster der Jugend lichen vorstellen, in dem der Bock auf Ball gleich Null ist. Dieses Cluster gibt es. Es ist empirisch greifbar. Es ist groß. Wie sieht die Welt des Sports aus Sicht dieser Jugendlichen aus? Wir sind in Deutschland und das heißt: In der Schule Bälle, in der Sportschau Bälle, auf dem Sportplatz Bälle, auf dem Schulhof Bälle, in den Parks Bälle. Denn es gibt ein anderes Cluster, das ordentlich Lust darauf hat. Und diesem wird so viel Raum gegeben, dass man denken könnte, dass es sich hier wohl um sowas wie eine Leitkultur handeln muss: „Unser Sport. Deutschland = Bälleland“. „Was stimmt mit mir nicht?“, grübelt man, wenn man dieses Leitmotiv nicht lustig mitpfeift. Es ist vor allem in Deutschland schwierig, einen Eindruck von der Vielfalt des Sports zu bekommen, zumindest wenn man gerade dabei ist, sich durch die Erfahrungen im Unterricht von der Sportkultur zu distanzieren. Ballsport gibt es ungefragt auf jeder Müslipackung, als wiederkehrendes Großereignis und permanentes Thema. Andere Sportarten muss man in Deutschland gezielt anwählen, dann findet man ein paar Sportsoldaten, die im Schnee auf Zielscheiben schießen oder so. Immerhin. Man könnte ja jetzt sagen: Gut, ist halt so, wir in Deutschland haben halt die Ballsportkultur. Ist doch mega. Fußball!!! Yeah! Manche denken sogar, mit dem Fußball kann man alle Kinder erreichen und viel Gutes tun. Und die Leute, für die das nicht so ansprechend ist, die können sich ja anderen Kulturen anschließen. Gibt ja genug.Aber so einfach geht das nicht: Die Lobby für den Ball ist groß, sie ist machtvoll und sie ist männlich und natürlich überschätzt sie das Thema massiv. Sie verdrängt andere T Themen des Sports, zieht Gelder und Stellen auf sich und damit grenzt sie viele Menschen mit anderen Vorlieben aus der Sportkultur aus. Jetzt befinden wir uns auch beim Thema Geschlechtergerechtigkeit. Der Zuspruch von Frauen zum Ballthema ist deutlich geringer als bei Männern. Ob Sozialisation oder Anlage – das will ich hier nicht diskutieren – es ist nur empirisch auffällig, dass so viele der Jungs im Alter meiner Tochter mit Bällen spielen und so viele Mädchen nicht. Zählt das mal in der Pause durch. Geht im Sommer mal in die Parks.
Fragt mal bei den Dorfvereinen an. Der ganze Hype um den „Frauenfußball“ – viel Augenwischerei.

SICH SELBST BEWEGEN – EIN UNTERSCHÄTZTES SEGMENT DES SPORTS

Studien1 verraten, dass es junge Menschen gibt, die viel mehr an der Selbstbewegung interessiert sind, als daran, ein Objekt zu bewegen, um das man streitet. Ja, das ist stark weiblich besetzt, aber nicht nur. Ist ja nicht so, als wäre das ein kleines und unwichtiges Segment des Sports – die Selbstbewegung. Jetzt schauen wir zum Beispiel mal, wie Menschen Sport treiben, wenn sie das ganz selbstbestimmt tun können. Was machen Erwachsene denn? Wie sieht die gelebte Kultur des Sports aus? Die Statistiken verraten es. Schon ab dem Jugendalter findet man immer weniger Ballsporttreibende. Joggen, Fitness, Schwimmen, Radfahren rangieren ganz oben. Wenn es um den Urlaub und Reise geht, kommen Wasser- und Schneesport hinzu. Wandern, Walken, Klettern, Bouldern, Surfen, Kiten, Marathon, Triathlon, Yoga. Rollsport gehört zu den großen Gewinnern der letzten Jahre. Klar gibt es noch 30-jährige, die ihre Liebe zum Ball weiterleben – aber die geringe Zahl der Aktiven rechtfertigt doch in keinster Weise, dass Ballsport so dominant in die Bildung von jungen Menschen integriert wird. Und mal ganz ehrlich – so cool sind die so genannten Sportspiele auch wieder nicht. Letztens habe ich zum ersten Mal wieder nach Jahren ein Fußballspiel gesehen. Da rotzen ja immer noch 22 Männer auf den Rasen und die anderen schreien blöd rum. Strittige Entscheidungen, Rumgeschubse, wenig Respekt, wie ich finde. Handball ist auch so mäßig. Wieso braucht man ein gesamtes Spielfeld, wenn sich alles nur um diesen Wurfkreis abspielt? Diese eine gebogene Linie, auf die man so genau schauen muss. Also da müsste man mal ordentlich was reformieren. Für konstruktive Hinweise, gerne melden. Und jetzt zusammenfassend: Man kann sehr gut und sehr sportlich ohne Fußball, Handball, Basketball, Volleyball und andere so genannte große Sportspiele leben. Sehr gut!

1Zuletzt: Spies, F., Schauer, L., Bindel, T. & Pfeiffer, M. (2022). Talent detection – importance of the will and the ability when starting a sport activity. German Journal of Exercise and Sport Research. DOI.org/10.1007/s12662-022-00796-0.

Studien verraten, dass es junge Menschen gibt, die viel mehr an der Selbstbewegung interessiert sind, als daran, ein Objekt zu bewegen, um das man streitet.

Bindel, 2023

VOLL IN DIE FRESSE: AUS DEM PANINI-ALBUM DES SCHEITERNS

Meine These ist, dass die Ball-Lobby ihr fragiles Thema dadurch erhält, dass alle akademischen Berufsfelder des Sports Ballsportkompetenzen im großen Stil an der Einlasspforte abprüfen. Kommt mal zur universitären Eignungsprüfung. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass meine Tochter und alle anderen im ballfremden Cluster nicht auf die Idee kommen werden, Sport zu studieren. Sie werden eher keine Sportlehrkräfte oder Wissenschaftler:innen, denn die Abwendung vom Ball kommt in einer entscheidenden Lebensphase einer Abwendung vom Sport gleich. Das hängt auch damit zusammen, dass im Vergleich zu anderen Themen des Sportunterrichts, die Erfahrungen mit dem Ball so einprägsam sein können und so deutlich die eigene minderwertige Rolle im System versichern, dass sich Sport als Berufsfeld wie ein Witz anhört. Ich weiß nicht, ob diejenigen, die das hier lesen, diese Erfahrungen kennen, ob Sportstudierende das nachvollziehen können, aber der durch mangelndes Interesse verfestigte Kompetenzrückstand am Ball verspricht eine Demütigung nach der anderen.

Während man das Desinteresse am Tanz arrogant verhampeln kann oder beim Turnen zumindest solitär scheitert, finden die Fails mit dem Ball fast immer in einer aufgeheizten Gruppenstimmung statt und machen einen zum absoluten Clown – als doppelte Verletzlichkeit haben das Kollegen mal bezeichnet. So gehören folgende Erlebnisse wie Paninibilder in das Album des Scheiterns: Ball voll in die Fresse kriegen, Ball aus den Händen gerissen bekommen, Ball im entscheidenden Moment dumm verlieren, während aus allen Richtungen Anweisungen palavert werden, mit einem simplen Trick fies verarscht werden, den Ball nicht abbekommen, den Ball nur abbekommen, weil das irgendwie in den Regeln vereinbart wurde, Angst vor dem Ball haben, Finger verstauchen, noch mehr Angst vor dem Ball haben, dem Ball ausweichen, fest abgeworfen werden. Was weiß ich alles.

Es lebe der Sportunterricht

Eine sportpädagogische Kolumne von Prof. Tim Bindel

Tim Bindel beobachtet die Welt des Sports und das Leben junger Menschen. Welche Rolle das Demonstrieren im Sportunterricht haben sollte, wird in dieser Kolumne besprochen. Der Professor lädt zum Mitdenken, Dagegenhalten und zum Diskutieren ein; für einen modernen Sportunterricht.

Wenn der Bällekäfig reingerollt wird, reißt nicht jeder vor Freude die Arme hoch, im Gegenteil. Stille Angst.

Bindel, 2023

Man sieht nicht gut dabei aus, hat das Gefühl anderen den Spaß zu verderben und man tut sich weh. Und das hat nichts damit zu tun, dass man sich nicht so anstellen soll. Das sind unbegründbare Zumutungen. Wenn der Bällekäfig reingerollt wird, reißt nicht jeder vor Freude die Arme hoch, im Gegenteil. Stille Angst. Wenn die Fußballkids in Kunst ein oberpeinliches Kindergartenbild malen oder auffällt, dass sie mit 15 noch nicht ein einziges Buch gelesen haben, fühlt sich das jedenfalls für die nicht annähernd so fies an. Also, man kann da in der 8. Klasse einen ganz schönen Hals bekommen und sich denken: Fuck you, Sport!

HERZLICH WILLKOMMEN IN DER SPORTWISSENSCHAFT: HIER KÖNNT IHR WEITER BALL SPIELEN!

Bei uns im Studium befinden sich dann natürlich fast nur noch diejenigen, die Bock auf Ball haben. Herzlich willkommen in der Sportwissenschaft, ihr 70 Prozent Männer und 30 Prozent Frauen. Hier könnt ihr weiter richtig viel Ball spielen und wenn ihr fertig seid, könnt ihr auch weiter mit dem Ball arbeiten – in der Schule zum Beispiel. Gut, dass die Lehrpläne auch von ballbegeisterten Menschen gemacht werden. Und so erhält sich dieses Ballsystem ganz von selbst. Insofern ist es schade, dass wir diejenigen als kreative Mitgestaltende der Sportkultur verlieren, die – vielleicht von klein auf – keinen Spaß mit dem Ball haben. Ich glaube: Weniger Bälle – mehr Diversität im Studium, mehr Sportkulturen für alle, bessere Welt.

MEIN VORSCHLAG

Und jetzt zu meinem Vorschlag:


Wir nehmen die so genannten großen Sportspiele aus dem Curriculum. Wir verlagern sie im Zuge der Ganztagsschulreform in den außerunterrichtlichen Bereich. In der Grundschule können wir doch motorische Grundfertigkeiten mit dem Ball zum Thema machen und uns ein paar Sportspiele ansehen, aber ab der weiterführenden Schule soll das langsam outgesourct werden. Diejenigen mit geringem Ballinteresse gewinnt man dann nämlich sowieso nicht mehr und die Ballverliebten sollen sich in Schulmannschaften oder anderen spezifischen Settings austoben können. Mal im Ernst, dass man in heterogenen Gruppen einen Ballsport betreibt, kommt in freier Wildbahn einfach nicht vor. Da müssen sich doch die unterschiedlichen Cluster nicht gegenseitig hemmen. Hier geht es in keinster Weise um Monoedukation, denn das Thema gibt allen Kindern die Chance irgendwann mal ja oder nein zum normierten Ballsport zu sagen.
Und im Sportunterricht finden sich dann viel mehr Themen der Selbstbewegung, viel mehr von dem was tatsächlich alle vielleicht ein Leben lang tun können. Krasser Vorschlag, oder? Aber erklärt mir bitte mal, wieso ich in der 8. Klasse Handball spielen muss. Soll ich dann in den Verein gehen, oder was? Oder soll ich das dann im Park spielen? Oder soll ich anhand des Handballspiels lernen, wie man kooperiert? Ja, klar. Ein bisschen weniger Ball – das kann doch nicht so schwer sein.
Okay, kommen wir zum Ende. In meiner Utopie vom ballfreien Sportunterricht werden also wesentliche Bildungspotenziale des Sports – vor allem in der Selbstbewegung – deutlich. Wir thematisieren Outdoorsport, erleben Schwimmen, Laufen, Radfahren, Bewegen uns an Geräten, wenden uns irgendwann dem ambivalenten Raum des Fitnesssports zu, blicken in fernöstliche Praktiken rein, bieten Exkursionen an in den Schnee, ans Meer, in die Berge, in den nah gelegenen Wald. Ach, da fällt uns viel ein. Klar können wir auch Ball spielen. Aber das Thema findet jetzt im Hintergrund statt. Und keiner beschwert sich, denn die großen Sportspiele finden – sagen wir mal ab der 7. Klasse – im außerunterrichtlichen Bereich statt, mit richtigen Wettkämpfen und Ligen, für alle die da Lust drauf haben. Das stärkt doch auch den Leistungssport. Wer diesen Unterricht erlebt, denkt anders über das Fach und seinen Bezug zur Sportkultur nach. Sportlehrer:in werden – warum nicht? Plötzlich lebt das Fach von den Impulsen ganz unterschiedlicher Menschen: Diversität im Studium und an den Schulen, na endlich!
Das ist eine Utopie. Also aufwachen, sich die Augen reiben und mit den Resterinnerungen an den Traum mal drüber nachdenken, was im Hier und Jetzt möglich ist. Ein bisschen weniger Ball – das kann doch nicht so schwer sein. Spiele für alle ohne das lustige, runde Sportgerät – fällt euch was ein? Räume für die Ballverrückten schaffen außerhalb des Unterrichts… Sportschau mal abschalten und ausbrechen aus dem ewig Gleichen. Erkennen, dass Sportkultur bunt ist und allen gehört. Und vielleicht auch akzeptieren, dass nicht alle fühlen, dass der Ball das Leben symbolisiert, sondern nur sich selbst. So, mal sehen, was wir das nächste Mal abschaffen können.

Tschüss, ich gehe wieder Drittmittel einwerben.

Ein bisschen weniger Ball – das kann doch nicht so schwer sein.

Bindel, 2023


Der Autor

Tim Bindel lehrt als Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in der Abteilung Sportpädagogik/-didaktik und ist geschäftsführender Leiter am Institut für Sportwissenschaft. Tim Bindel beschäftigt sich mit Fragen des Kinder- und Jugendsports, der sozialen Verantwortung durch Sport und der Gestaltung von Sport und Unterricht. Er ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (Kommission Sportpädagogik) und hat den Vorsitz der dvs-Kommission Sport und Raum inne. Zusammen mit Christian Theis hat er den Podcast one and a half sportsmen gegründet.

Impressum

Dieses Dokument korrekt zitieren:

Bindel, T. (2022). Es lebe der Sportunterricht Folge 5.
BALLFREIER SPORTUNTERRICHT JETZT!. Zugriff am 23.04.2024 unter https://wimasu.de/ballfreier-sportunterricht-jetzt/

Redaktion und Herausgeberschaft: Janes Veit und Christoph Walther

Illustrationen/Grafiken: Julia Schäfer, Nao Matsuyama

Material für den ballfreien Sportunterricht

Weitere Beiträge der Kolumne “Es lebe der Sport”


Kommentare

  1. Ballsportarten aus dem Sportunterricht verbannen? Logisch, schließlich unterrichten wir alle nur die großen Sportspiele und nur ab und zu mal Themen, die Selbstbewegung initiieren. Schließlich ist bei den Themen, für die keine Bälle benötigt werden, immer mindestens eines dabei, auf das alle 30 Schüler so richtig Bock haben. Und gerade die Schüler, die mit einem Ball nichts anfangen können, blühen dann beim Geräteturnen alle so richtig auf.
    Jetzt mal im Ernst. Für mich ist nicht das Thema, sondern die LK entscheidend. Sie muss einschätzen können, in welchen Lerngruppen sie Sportspiele mit welcher Tiefe/Intensität behandelt. Mehrperspektivisch, aber nicht vereinsorientiert, denken und planen – Was will ich meinen Schülern vermitteln? Gibt es am Ende überhaupt eine Prüfung, bei der die leistungsschwächeren Schüler Schweißausbrüche bekommen, wenn sie nur daran denken? Wie kann diese für ballsportbegabtere und -unbegabtere SuS innerhalb derselben Lerngruppe differenziert werden, sodass jeder die Chance auf eine gute Note hat? Wie kann ich einen attraktiven Zugang zu bislang unberührten Themen schaffen? Gerade das macht doch die Kompetenz einer LK aus.
    Es gibt keine heterogenen Lerngruppen, die alle einem Ball nachjagen? Natürlich nicht, wir sind alle irgendwo verschieden, aber ich kenne Klassen, wo jeder dem Ball irgendwie nachgeht und dabei das eine oder andere Grinsen im Gesicht hat. Bei welchem Thema ist denn die Lerngruppe nicht heterogen, doch nicht etwa beim Tanzen?
    Wenn wir danach gehen, können wir doch alles, wovor die Schüler Angst haben bzw. keine Lust darauf haben, über Bord werfen und im Sportunterricht aus 30 Schülern 15 Interessensgruppen bilden. Solange wir homogene Lerngruppen haben und jegliche Konflikte als Lernanlässe vermeiden, haben wir einen guten Sportunterricht.
    Die gesamte Kolumne ist für mich, genau wie es dort steht, utopisch. Aber nicht, weil es nicht in unser aktuelles Curriculum oder nicht zu unserer Ballkultur passt, sondern weil es schlichtweg nicht der Realität eines jeden Sportunterrichts betrifft und die Rolle der LK und des Sportunterrichts dekonstruiert.

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