Digitale Medien im Sportunterricht

„Digitale Medien – jetzt auch noch im Sportunterricht?“ mögen sich Sportlehrerinnen und Sportlehrer angesichts des einzigen explizit auf Bewegung und körperliche Aktivität ausgelegten Schulfaches fragen und Bedenken und Sorgen bezüglich einer Ablenkung vom eigentlichen Bewegen haben. Hinzu kommen Fragen des Datenschutzes und ggf. Bedenken bezüglich der eigenen Unsicherheit der Lehrperson in technischer Hinsicht. Demgegenüber stehen zum einen aber eine für den Bereich des Sports unausweichliche Präsenz und gesellschaftliche Relevanz digitaler Medien (z. B. bei der Videoanalyse in der Sportschau, bei ausgeprägter Selbstdarstellung auf YouTube mittels Bewegungskönnen etc.) und zum anderen eine zunehmende didaktische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, aber auch Grenzen der unterrichtlichen Nutzung digitaler Medien.

Der Beitrag setzt sich in diesem Sinne mit der Frage auseinander, ob es durch den Einsatz digitaler Medien einen originären Mehrwert, bspw. indem bestehende didaktische Möglichkeiten vereinfacht oder erweitert werden, geben kann und führt entsprechende Beispiele an.

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1 Lernpotenziale digitaler Medien im Sportunterricht

Die hohe Verbreitung von Smartphones und Tablets bei Kindern und Jugendlichen eröffnet aus medienpädagogischer wie fachdidaktischer Perspektive Möglichkeiten, didaktisches Handeln sowie das Lernen durch digitale Maßnahmen zu unterstützen. Dies gilt sowohl für Bereiche der Medienkompetenz (wie in den KMK-Richtlinien 2016 für alle Schulfächer formuliert¹) als auch für das fachliche Lernen im Sportunterricht. Hebbel-Seeger, Krieger & Vohle (2014) haben in einem grundlegenden Beitrag aufgezeigt, dass digitale Medien als Werkzeuge für Wissens- und Könnensentwicklung im Sinne des „Doppelauftrags“ eines Erziehenden Sportunterrichts genutzt werden können. Dabei werden insbesondere die Prinzipien Reflexion, Verständigung, Erfahrungs- und Handlungsorientierung und Mehrperspektivität (vgl. Beckers, 2013) durch den gezielten und sinnvollen Einsatz digitaler Medien unterstützt. Im Sinne einer „reflexiven Handlungsfähigkeit” (vgl. Schierz & Thiele, 2013) sollten sich sportliches Handeln und Reflexionsphasen abwechseln und aufeinander beziehen, wobei digitale Medien bspw. durch die videographische Dokumentation von Handlungen einen unterstützenden Beitrag leisten können. Hierzu eignen sich in methodischer Hinsicht insbesondere kooperative Partner- und Kleingruppenaufgaben. Dabei ist aber insgesamt darauf zu achten, dass durch die Beschäftigung mit dem Tablet die Bewegungszeit nicht zu kurz kommt.

Durch gezielten Medieneinsatz können die unterschiedlichen/mehrperspektivischen Bedeutungsebenen von Bewegung, Spiel und Sport ggf. noch deutlicher vermittelt und erfahrbar gemacht werden – beispielsweise beim Einsatz einer Schrittzähler-App o.ä. in der Perspektive Gesundheit oder in der Perspektive Wagnis, wenn Computerspiele oder Filmsequenzen in realen Sport übertragen werden. Auch hier gilt jedoch die Notwendigkeit, praktische Erfahrungen durch Reflexion zu verarbeiten und in Wechselbezug zu bringen. Des Weiteren können digitale Medien bei kluger Vorbereitung die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler unterstützen und die Lehrkraft entlasten.

2 Einsatzmöglichkeiten im Sportunterricht

Im Folgenden sollen im Sinne der angeführten Lernpotenziale vier unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien im Sportunterricht kurz vorgestellt und jeweils mit einigen Beispielen konkreter Unterrichtsideen illustriert werden: Die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler können unterstützt werden durch (a) Visualisierung und Feedback beim Bewegungslernen sowie bei Kreativaufgaben. Die Lehrkraft erhält Unterstützung der (b) Klassenorganisation, etwabei der Differenzierung und der Aufgabenpräsentation. Es bieten sich erweiterte Möglichkeiten der (c) Leistungsbewertung und -dokumentation sowie des fächer- und schulraumübergreifenden Unterrichts an, wie bspw. beim (d) Educaching.

(a) Visualisierung und Feedback 

Medieneinsatz im Sportunterricht 2

Vor allem Tablets und Smartphones eignen sich zur Visualisierung von theoretischen Inhalten in der Sporthalle oder auf dem Sportplatz. Zur Herstellung eines unmittelbaren Theorie-Praxis-Bezugs lassen sich Tablets für die Lernenden alleine oder in Kleingruppen zur Demonstration von Bewegungsvorbildern und Techniken der motorischen Bewegungsfertigkeiten einsetzen. Aber auch zu kreativen (Gruppen-) Prozessen, z. B. der Erarbeitung einer Choreographie im Bewegungsfeld Bewegen an Geräten (z. B. Le Parkour), Tanzen (z. B. Jump Style), 

beim Seilspringen oder Gummitwist können Tablets hilfreich sein. Zielbewegungen oder Bewegungsbeispiele werden als Bild- oder Videodateien auf dem Gerät gespeichert. Neben der Demonstrationsfunktion ermöglicht die Aufnahmefunktion des Tablets auch die Dokumentation von Bewegungsabläufen.Sie verfolgt das Ziel der Bewegungsbeobachtung und -analyse sowie der Förderung der Beurteilungs- und Bewertungskompetenz in Reflexionsphasen (vgl. Müller, 2014). Für die Beobachtung und Analyse von Bewegungen eignen sich einerseits speziell für den Bewegungslernprozess entwickelte Apps (Coaches‘ Eye oder Ubersense mit Slow-motion-Funktion, Zoom und Standbildern), die ein individuelles Videofeedback bei Übungs- und Lernprozessen, beispielsweise in technischen Disziplinen, ermöglichen. Andererseits unterstützen Stationen mit einer zeitverzögerten Wiedergabe von Aufnahmen das selbständige Agieren der Schülerinnen und Schüler (z. B. mit der App O´See; vgl. Veit, 2015). Bei kreativen und verständigungsorientierten Prozessen in Kleingruppen dient das Tablet als sehr geeignetes Medium und externe Quelle für Gruppenfeedback. Dabei können die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe zuvor erarbeiteter Kriterien (wie etwa Synchronität, Takt, Raumaufstellung und Kreativität) im Bereich „Bewegung gestalten“ selbstständig ihre eigenen und die Leistungen anderer bewerten. Durch die Videofunktion von Tablets ist Lerngruppen die Möglichkeit gegeben, sich zeitnah selbst zu analysieren und zu verbessern und dies in den gruppenspezifisch notwendigen Handlungs-Reflexions-Schleifen zu wiederholen. Durch die kooperative Gruppensituation sind die Mitglieder darauf angewiesen, mit Hilfe von Diskussionen und Ausprobieren sowohl ihre unterschiedlichen Wissens- als auch Könnensvoraussetzungen aufeinander zu beziehen, abzugleichen und in Richtung einer Optimierung des angestrebten Endproduktes (in der Regel eine Gruppenpräsentation) zu bewegen (vgl. Veit, 2015). 

(b) Unterstützung der Klassenorganisation

Digitale Medien können im Bereich der Klassenorganisation einige unterstützenden Funktionen für die Lehrkraft bieten. Beispielsweise können Aufgabestellungen in Form von kurzen Video- oder Audioclips bzw. Bildernvorab auf Tablets hinterlegt werden. Hierdurch bietet sich bspw. beim Stationslernen ein Zeitgewinn, wenn die Stationsaufgaben – vorab klar sprachlich und strukturell vorbereitet – an der jeweiligen Station direkt abgerufen und ggf. wiederholt werden können.

Medieneinsatz im Sportunterricht 3

Einmal vorbereitete Medien können von der Lehrkraft dann auch in anderen Klassen und Zeiträumen wiederverwendet werden. In diesem Sinne der Klassenführung erlauben und ermöglichen Tablets auch individuelle Aufgabenstellungen, die auf bestimmte Schülerinnen und Schüler und Lerngruppen abgestimmt sind. Diesbezügliche Möglichkeiten der Differenzierung im inklusiven Sportunterricht erscheinen noch längst nicht ausgereizt.

Schließlich lässt sich eine ganze Reihe von Apps finden, die die Lehrorganisation und Unterrichtsdurchführung sinnvoll unterstützen können. Beispielsweise können Apps zur Erwärmung bei Bewegungsspielen eingesetzt werden. Die App Seveneignet sich zur – didaktisch vorbereiteten –Durchführung von einfachen Fitnessübungen, die durch die App vorgegeben werden und etwa als „Auslöser“ (Ausüben von drei Übungen) bei Fangspielen (z. B. Affenkrankenhaus) dienen können. Mit einer Puzzle-App lassen sich Laufstaffeln spaßig und motivierend aufwerten, wenn etwa jedes Teammitglied während des Laufens von Runden beim Passieren einer Station auf dem zugehörigen Tablet ein Puzzleteil verschiebt und die Gruppe mit dem ersten vollständigen Puzzle gewinnt. TeamShakeist eine App, in der vorab alle Namen der Lerngruppe eingegeben werden und dann per Zufall (Schütteln des Tablets) Gruppenzusammensetzungen in vorher festgelegten Größen entstehen. Es finden sich Tiergeräusche-Apps für Bewegungslandschaften (bspw. Aufforderung, die am Geräusch erkannten Tiere in Bewegung nachzuahmen) und FeedbackApps (zum Unterricht allgemein oder zu einzelnen Unterrichtsphasen), in die die Schülerinnen und Schüler ihre Rückmeldungen einsprechen (Aufnahmegerät) oder eintragen (z. B. Edkimo) können. Die Aufzählung ließe sich sicher verlängern, hier sollen lediglich erste Impulse gegeben werden. Letztlich muss die Suche und Auswahl einer App aufgrund der Vielzahl und ständigen Erneuerung von Angeboten jedoch der einzelnen Lehrkraft überlassen werden.

(c) Leistungsbewertung und -dokumentation

Unterstützung bietet das Tablet oder das Smartphone auch als Dokumentationsmedium zur Leistungsbewertung, bspw. im Rahmen der oben beschriebenen Präsentationen bei Gruppenchoreografien, aber ebenso im Fall einer technisch-motorischen Leistung. Während die „klassische“ Präsentationssituation vor der Klasse mit einem

hohen Grad an „Körperlicher Exponiertheit“ und dabei ggf. bedrohtem Selbstwert (Gefühl der Peinlichkeit, Angst vor Blamage/Versagen, „Lampenfieber“ etc.) verbunden sein kann, entlastet die weniger „dramatische“ Präsentation ausschließlich vor dem digitalen Medium, das mit Selbstauslöser oder max. einer zuschauenden Person aufnehmen kann. Die Lernenden können in diesem Sinne selbständig Aufnahmen erstellen und zur Bewertung abgeben. Dies kann ggf. vor angstbezogenem Leistungsabfall schützen und zudem ist es für die Lehrkraft einfacher, angemessen objektiv(er) zu benoten, wenn eine Präsentation nicht nur einmal gezeigt wird, sondern sie wiederholt angesehen werden kann. An diesem Punkt knüpft auch die Idee der Videoleistungsüberprüfung an, die so gestaltet werden kann, dass am Ende einer Unterrichtseinheit eine Prüfungsstunde stattfindet, in der die Leistungsüberprüfung im Zentrum steht. Am Ende der Stunde sollen die Schülerinnen und Schüler ein Video abgeben, welches ihrer Meinung nach ihre beste Leistung zeigt. Die öffentliche Präsentation erfolgt im Anschluss freiwillig. Das abgegebene Video wird dann zur Bewertung herangezogen und das Tablet oder Smartphone dient somit als Prüfungsabnahme-Medium (vgl. Veit, 2015).

(d) Mobiles (Bewegungs-)Lernen/Educaching

(d) Mobiles (Bewegungs-)Lernen/Educaching

Tablets oder Smartphones eignen sich auch für den Einsatz an außerschulischen Lernorten. Insbesondere die Idee des „Educachings“ stellt ein interessantes Beispiel für mobiles Lernen im Sportunterricht, aber auch in fächerübergreifenden Projekten oder Aktivitäten an Projekttagen oder Klassenreisen dar. Die App Actionboundbietet die technisch sehr einfache Möglichkeit, eine „digitale Schnitzeljagd“ für eine Klasse zu konzipieren.

In Kleingruppen machen die Schülerinnen und Schüler wie beim Geocaching die ausgewählten Orte in der bspw. schulnahen Umgebung ausfindig und wenn durch GPS vom digitalen Medium erkannt wird, dass der Ort gefunden wurde, schaltet sich dort die nächste Aufgabe frei. Die Aufgaben (auch ein Quiz oder Umfragen sind denkbar) können dann sowohl aus dem Bereich Bewegung, Spiel und Sport als auch aus anderen Fächern stammen und die Erkundung und (Rück-)Eroberung des Nahraums thematisieren.

3 Fazit: Mögliche Mehrwerte und Grenzen

Der Einsatz digitaler Medien hat das Potenzial die Lehrerinnen und Lehrer bei ihren didaktischen Herausforderungen so zu unterstützen, dass auf Seiten der Lernenden fachliche Reflexionsprozesse und Selbständigkeit gefördert werden. Es bieten sich neue didaktische Möglichkeiten und bekannte Handlungen (z. B. Feedback, Ergebnissicherung, differenzierte Aufgaben) können vereinfacht werden. Insbesondere durch den letzten Punkt werden die Lehrpersonen entlastet und erhalten mehr Ressourcen für individuelle Unterstützung.

Jedoch bleibt festzuhalten: Digitale Medien sind kein Selbstläufer! Letztlich kommt es auf die Lehrkraft an, ob, wann und wie sie sich auf den digitalen Medieneinsatz im Sportunterricht einlassen möchte. Dabei muss die Nutzung ebenso eingeführt werden wie auch andere Lernmaterialien, auch wenn sie von „digital Natives“ genutzt werden. Zudem ist die Nutzung teilweise zunächst mit einem Mehr an Aufwand und Kosten verbunden.

Bislang liegen noch keine wissenschaftlich abgesicherten Ergebnisse zum Pro und Contra bzw. zu den Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes digitaler Medien im Sportunterricht vor. Mehr und mehr Praxiserfahrungen und auch entsprechende Veröffentlichungen in Fachzeitschriften zu den oben beschriebenen Einsatzgebieten sowie erste Forschungsprojekte (z. B. zu „Digitalem Lernen in der Grundschule“, gefördert von der Deutschen Telekom Stiftung, s. https://www.telekom-stiftung.de/projekte/digitales-lernen-grundschule) lassen jedoch eine vorläufige Bilanz in Hinblick auf mögliche Mehrwerte und Grenzen zu:


¹Hier werden als grundlegende Bereiche genannt: (a) Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren, (b) Kommunizieren und Kooperieren, (c) Produzieren und Präsentieren, (d) Schützen und sicher Agieren, (e) Problemlösen und Handeln sowie (f) Analysieren und Reflektieren¹


Literatur

Beckers, E. (2013). Prinzipien eines erziehenden Sportunterrichts. ln H. Aschebrock & G. Stibbe (Hrsg.), Didaktische Konzepte für den Schulsport(5.178-196). Aachen: Meyer & Meyer.

Hebbel-Seegers, A., Krieger, C. & Vohle, F. (2014). Digitale Medien im Sportunterricht. Sportpädagogik, 6, 2-5

KMK. Kultusministerkonferenz (2016): Bildung in der digitalen Welt. Online verfügbar: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2016/Bildung_digitale_Welt_Webversion.pdf, zuletzt geprüft: 13. September 2017

Marquardt, A. (2014). Gaming im Sportunterricht. InLudwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, S. 6-9.

Müller, C. (2014). Tablet- Einsatz im Sportunterricht. In Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, S. 4-6.

Schierz, M. & Thiele, ). (2013). Weiter denken -Umdenken – Neu denken? Argumente zur Fortentwicklung der sportdidaktischen Leitidee der Handlungsfähigkeit. ln H. Aschebrock & C. Stibbe (Hrsg.), Didaktische Konzepte für den Schulsport(5. 122-147). Meyer & Meyer Verlag: Aachen.

Veit, J. (2015). Tablet- und Smartphoneeinsatz im Sportunterricht. Didaktische Möglichkeiten. www.wimasu.de

Die Autoren

Claus Krieger ist Professor für Sportpädagogik an der Universität Hamburg. Er forscht unter anderem zu Einsatzmöglichkeiten digitaler Unterrichtsmaterialien und -medien im Sportunterricht. Claus hat die Fächer Sport, Englisch und Italienisch für gymnasiales Lehramt studiert und er hat einfach immer gute Laune.

Janes Veit ist Lehrkraft an einer Gesamtschule in Frankfurt und Mitgründer von WIMASU. Als ausgebildeter Jugendmedienschutzberater liegt ihm das Thema digitaler Medieneinsatz im Sportunterricht besonders am Herzen. Die Mediennutzung mit den Schülerinnen und Schülern bietet ihm oftmals Gesprächsanlass um über grundlegenden Besonderheiten der digitalen Medien wie z.B. „Recht am eigenem Bild“ zu diskutieren.

Impressum

Dieses Dokument korrekt zitieren:

Krieger, C., Veit, J.  (2019) Digitale Medien im Sportunterricht. Zugriff am 19.03.2024 unter https://wimasu.de/digitale-medien-im-sportunterricht/

Illustrationen/Grafiken: Nao Matsuyama, Julia Schäfer
Herausgeber: Christoph Walther & Janes Veit
Lektorat: K. Heinz; L. Boe

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