Tableteinsatz im Sportunterricht

Tablet- und Smartphoneeinsatz im Sportunterricht

DIDAKTISCHE MÖGLICHKEITEN

Mit dem Tablet¹ ist eine sehr schnelle und einfache Möglichkeiten bzw. Methode² gegeben, im Sportunterricht etwas visuell darzustellen. Ohne spürbaren Mehraufwand ist es möglich, ein Tablet im Regelunterricht einzusetzen. Die dafür benötigten Utensilien sind lediglich das Tablet, ggf. Tabletständer und ein Kasten, der in jeder Turnhalle vorhanden ist.
Auch im Profisport findet häufig visuelle Darstellung und Analyse statt: Z. B. die Wiederholte Betrachtung von Bewegungen ggf. in Zeitlupe z. B. die Expertenanalyse von Laufwegen, Beobachtung der Absprungphase, etc. All das ist Alltag im Profisport, mit dem Ziel die eigene Leistung zu verbessern. In den meisten Tanzübungsräumen befindet sich eine Spiegelwand, um sich beobachten zu können, zu analysieren und um Synchronität zu erreichen. Zusammengefasst ist die Visualisierung und Betrachtung der eigenen Bewegung ein wichtiger Aspekt der gezielten Verbesserung der Bewegungsqualität.

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Im Schulsport ist dieser Aspekt des Sports, d. h. Verbesserung bzw. Perfektionierung von Bewegungsabläufen und Choreografien durch visuelles Analysieren der eigenen Bewegung bislang nur schwer anwendbar gewesen. Die technische Entwicklung der Tablets speziell der Videofunktion und den relativ großen Displays ermöglichen es, sich intensiver mit den Möglichkeiten der Videoanalyse und eines digitalen Präsentationsmediums auseinanderzusetzen. Trendsportarten machen es vor: Sieht man Jugendliche in der Stadt z. B. Le Parkour ausüben oder skaten, so ist meist ein Smartphone oder Tablet dabei und nach einem Move, Stunt oder Sprung wird gemeinsam anhand der Videoaufnahmen analysiert. Die besten Bilder und Videos werden häufig sogar direkt im Internet veröffentlicht und dienen damit anderen wiederum als Bewegungsvorbild. In diesem Rahmen verliert der Trainer oder die Lehrkraft an Bedeutung und das eigenständige Beurteilen und Verbessern rückt an deren Stelle. Es wird außerdem deutlich, welchen Lebensweltbezug der Medieneinsatz im Bezug auf die Schülerinnen und Schüler besitzt.

Für die Schule ist der Einsatz von Tablets daher in vier Bereichen didaktisch wertvoll. Dies ist die Visualisierung von Bewegungsvorbildern in Form von Bild und Video, die selbstständige Analyse der individuellen und gruppenbezogenen Bewegungsqualität, sowie dem Tablet als Dokumentationsmedium von eigenen Bewegungen.

DAS TABLET ZUR DEMONSTRATION VON BEWEGUNGSVORBILDERN 

Bilder sind für jeden Lehr- und Lernprozess von immenser Bedeutung. Das trifft besonders für den Sportunterricht zu: Eine verbale und abstrakte Bewegungsbeschreibung wird von Schülerinnen und Schülern oft nur unzulänglich verstanden. Die Demonstration von Bewegungsabläufen durch die Lehrkraft, sowie der Einsatz von Bildtafeln und Bildreihen, haben deshalb in der Sportlehre auch einen überaus hohen Stellenwert. Das Tablet schafft nun weitere hilfreiche Möglichkeiten mit animierten Bildfolgen oder Kurz-Videos die räumlichen, zeitlichen und dynamischen Aspekte einer Bewegung anschaulich darzustellen. Unterschiedliche Perspektiven und Geschwindigkeiten in Verbindung mit Text oder sprachlichen Hinweisen unterstützen den Aufbau der Bewegungsvorstellung. Ein großer Vorteil besteht darin, dass sich die Schülerinnen und Schüler selbstständig Informationen zu Bewegungsaufgaben beschaffen können. Als Ergänzung bzw. Alternative zu Lernkarten und Arbeitsblättern kann die Bewegung über das Tablet auch in den zeitlichen und dynamischen Aspekten (evtl. auch verlangsamt) dargestellt und erfasst werden (vgl. Dober, 2006).

Das Tablet ermöglicht es der Lehrkraft, Videos, die zur Aneignung von Bewegungen führen, bereitzustellen. Bei diversen Videoportalen lassen sich Bewegungs-Tutorials finden, die die meisten Bewegungsfelder umfassen. Das hat zum einen den Vorteil, dass die Lehrkraft auch Bewegungen visualisieren kann, die sie selbst nicht perfekt ausführen kann. Zum anderen kann durch die Wiederholungs- und Zeitlupen-Funktion die Bewegung besser erfasst werden.Bereits 1985 verweisen Daugs et al. auf mehrere Problembereiche bei der Gestaltung sportmotorischer Lernprozesse mit Hilfe der Bildgestaltung. Diese können auf Videopräsentationen ebenfalls angewandt werden. Besonders wichtig scheint mir der quantitative Problembereich zu sein. Dabei ist es von Bedeutung, dass die Anzahl der Informationen über die Medien nicht allzu groß sein sollte, um eine Überforderung des Lernenden zu vermeiden. Ein weiterer Punkt ist der grafisch- typografische (technische) Problembereich. Der “Bildüberlegenheitseffekt” wird nur dann wirksam, wenn die Lernenden in der Lage sind, die visuelle Repräsentation zu interpretieren. Dazu wichtig ist z. B. die Frage nach zentralen Bewegungsmerkmalen sein: Worauf kommt es bei dieser Bewegung an? Dementsprechend muss eine Vorkenntnis der Schülerinnen und Schüler über den Bewegungsbereich bestehen oder im Vorfeld thematisiert werden (vgl. Daugs et al., 1985, S. 188).

Ein weiterer Vorteil der Visualisierung von Bewegungen ist der Einstieg in eine neue Unterrichtseinheit. Besonders wird die Motivation gefördert, wenn unbekannte oder langweilig klingende Themen modern und „cool“ in Form von Videos präsentiert werden z.B. Ultimate Frisbee oder Le Parkour.

DAS TABLET ALS ANALYSETOOL FÜR INDIVIDUELLES BEWEGUNGSLERNEN 

Bei der Förderung der Bewegungskompetenz ist ein zentraler Aspekt: „Grundformen der Bewegungen bezogen auf die jeweilige Zielsetzung anwenden und gezielt im Rahmen der eigenen Möglichkeiten verbessern“ (HKM, 2010, S. 39). Jedem Schüler muss die Möglichkeit gegeben werden, sich verbessern zu können. Hierbei spielt Feedback eine entscheidende Rolle. Die individuelle Rückmeldung wird mit Hilfe der Videofunktion des Tablets ergänzt, da es unmöglich für die Lehrkraft ist, allen S. in einer Übungsphase eine angemessene individuelle Rückmeldung zu geben.

Die Ipad App „O´See Video Delay“ wirbt mit dem Spruch „See what your coach sees and analyze yourself!“ Mit Hilfe der Verzögerungsfunktion filmt das Tablet eine Sequenz und spielt parallel eine vorher gefilmte Sequenz ab. Dadurch kann das Tablet problemlos an einer Station eingesetzt werden und die S. können in einem Rundlauf die Übung ausführen – analysieren – und erneut ausführen. Dabei gibt es keine Zeitverzögerung oder technische Hindernisse. Wichtig hierbei ist auch, dass die S. Beobachtungsschwerpunkte erhalten, die dabei helfen, die eigene Leistung zu überprüfen. Diese können z. B.die Sprunghöhe, Körperhaltung, Landung usw. sein.
Bei der eigenständigen Beurteilung nach diesen Kriterien spielt die Selbstwahrnehmung eine entscheidende Rolle: „Einzig und allein die Situation, wie sie der Lernende wahrnimmt, steht in direktem Kontakt zu seinem Lernprozess“ (Scherer, 2011, S. 8).
Durch das Videofeedback haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Selbstwahrnehmung zu überprüfen, zu relativieren und zu präzisieren. Durch Beobachtungsaufgaben „(…) lernen sie genauer zu sehen, wie andere sich bewegen, und Vergleiche untereinander anzustellen“ (Miethling, 1997, S. 26).

Tableteinsatz im Sportunterricht Gruppenfeedback

DAS TABLET ALS ANALYSE- und FEEDBACKMEDIUM IN GRUPPENCHOREOGRAFIEN 

In den Inhaltsfeldern Bewegen an und mit Geräten, sowie Bewegung gymnastisch, rhythmisch und tänzerisch gestalten (vgl. exemplarisch HKM, 2010) steht die Gestaltung in Form von Choreografien immer häufiger im Mittelpunkt diverser Unterrichtseinheiten. Dabei agieren die Schülerinnen und Schüler meist in Kleingruppen und stimmen ihre Bewegungen aufeinander ab. Dies kann vom Gruppentanz (z. B. Jump Style), über Seilspringen, Akrobatik bis hin zu Le Parkour gehen. Innerhalb des Gruppenprozesses kann dem Tablet in der Übungsphase eine wichtige Rolle zukommen. Um eine Gruppenchoreografie kritieriengeleitet zu verbessern, bedarf es externem Gruppenfeedback, da es nur schwer möglich ist,während der Bewegungsausführung selbst auf die erarbeiteten Kriterien zu achten. Mit Gruppenfeedback wird hier ein Feedback bezeichnet, das aufgabenbezogen agierende Kleingruppen durch eine externe Quelle erhalten und welches Informationen über die Leistung der Gruppe liefert (vgl. Nadler, 1979, zit. n. Krause, 2007, S. 64).

Klassische Methoden für diese externe Feedback wären etwa das Verteilen von Beobachtungsaufgaben, das Bilden von Tandemgruppen, die sich gegenseitig Feedback geben, oder die Rückmeldung der Lehrkraft zu der jeweiligen Ausführung. Der Nachteil von verbalem Feedback ist jedoch oft, dass es schwer nachvollziehbar sein kann, welche Fehler der Beobachter entdeckt hat, da er diese lediglich beschrieben werden, allerdings niemals visuell belegt werden können. Dieses Problem wird mit der Videofunktion von Tablets gelöst, da damit den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben wird, sich zeitnah selbst zu analysieren und zu verbessern. Dies ist dann möglich, wenn den Schüler die Beurteilungskriterien deutlich sind bzw. diese mit ihnen gemeinsam erarbeitet wurden. Beispiele sind Kriterien wie Synchronität, Takt, Raumaufstellung und Kreativität im Bereich “Bewegungen gestalten”.
Als besonders lernwirksam müsste sich nach Krause (Krause, 2007, S. 65) eine Kombination aus Feedback und kooperative Lernformen erweisen. Demnach sollte das Gruppenfeedback die Wissenskonvergenz der Gruppenmitglieder fördern, da durch das Gruppenfeedback Fehlkonzepte und Wissenslücken aufgezeigt werden, die in der Gruppe diskutiert und ausgeräumt werden können.
Das Erreichen der Kriterien können die Gruppen mit Hilfe der Videoaufnahmen selbstständig überprüfen, diskutieren und optimieren.

DAS TABLET ALS DOKUMENTATIONSMEDIUM ZUR LEISTUNGSBEWERTUNG 

Leistungsüberprüfungen in Form von Präsentationen finden meist in einem klaren Setting statt: Die jeweiligen Gruppen führen ihre Choreografie vor der gesamten Klasse auf. Es wird anschließend geklatscht und die Lehrkraft vergibt eine Note. Für viele Schülerinnen und Schüler ist dies eine unbeliebte Stresssituation. Oftmals kommt die Frage auf „Müssen wir wirklich vor allen anderen vorführen?“. „Lampenfieber“ oder “Prüfungsangst” kann die Leistung enorm verringern. Zudem ist es für die Lehrkraft schwierig, angemessen objektiv zu benoten, wenn die Gruppenvorführung nur einmal gezeigt wird und weniger als eine Minute dauert. Somit bleiben – sowohl durch die schwer zu kontrollierende individuelle Leistung als auch durch die Aufregung der Schülerinnenund Schüler – womöglich die tatsächlichen besten Leistungen der Prüflinge verborgen
An diesem Punkt knüpft die Idee der Videoleistungsüberprüfung an. Am Ende einer Unterrichtseinheit findet eine Prüfungsstunde statt, in der die Leistungsüberprüfung im Zentrum steht. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende der Doppelstunde ein Video präsentieren, welches ihrer Meinung nach ihre beste Leistung zeigt. Dieses wird dann zur Bewertung herangezogen und das Tablet dient als Prüfungsabnahme-Medium.

 

¹Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir auf die durchgängige Nennung von Tablet und Smartphone. Da die wichtige Videofunktion auf beiden Geräten gegeben ist, sind fast alle genannten Einsatzgebiete für beide Geräteklassen  zutreffend.

²Eine Methode ist dann gut bzw. effizient, wenn sie mit einem vertretbaren Aufwand organisiert und an die zeitlichen und räumlichen Möglichkeiten des Schulbetriebs angepasst werden kann (vgl. Mattes, 2011, S. 14).


Aufbauend auf diesem Artikel erschien 2019 der neue WIMASUWISSEN Artikel: Digitale Medien im Sportunterricht.

Diesen findet ihr unter: https://wimasu.de/digitale-medien-im-sportunterricht/


Literaturverzeichnis:

Hessisches Kultusministerium (2010). Bildungsstandards und Inhaltsfelder – Das neue Kerncurriculum für Hessen – Sekundarstufe I – Gymnasium – Sport.

Krause, U-M. (2007). Feedback und kooperatives Lernen, Waxmann Verlag, Münster

Mattes, W. (2011). Methoden für den Unterricht. Kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. Schöningh Verlag, Paderborn

Miethling, W.-D. (1997). Bewerten und Zensieren, Sportpädagogik, Friedrich Verlag, S. 20-27

Scherer, H-G. (2010). Bewegung lernen und lehren, Sportpädagogik, Friedrich Verlag, S. 84

Internetquellen:

Daugs, R., Blischke, K., Oliver, N. (1985) Bildverarbeitung und Bildgestaltung bei Sportmotorischen Lernprozessen http://dsg.unipaderborn.de/fileadmin/dsg/ab2/Literatur/Publikationen/Daugs__Blisch ke__Olivier__1985__Bildverarbeitung_und_Bildgestaltung_bei_sportmotorischen_Lernpro zessen.pdf (Zugriff: 16.03.2014)

Dober, R. (2006): Sportpädagogik-Online: „Neue Medien im Sportunterricht“ http://www.sportpaedagogik-online.de/neuemedienimsportunterricht04.html (Zugriff: 24.02.2014)

Igel, C., Vohle, F. (2008): Zeitschrift für e-Learning: „E-Learning in der Sportwissenschaft“. (3) 4, unter http://www.e-learning-zeitschrift.org/04_2008/editorial.php (Zugriff: 24.02.2014)

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